Ein Schlager
Noch ist die Enttäuschung über das
vorzeitige Ausscheiden der Schweizer
Vertretung am Eurovision Song
Contest 2013 zu frisch, als dass man
nicht glücklich darüber sein dürfte.
Damit hat sich eine der vielen offenen
Fragen von selbst erledigt: Wenn
die Heilsarmee mit ihrer Gruppe Takasa
nicht im Final ist, wer bekommt
dann eigentlich null Punkte? So gesehen
hat die Schweiz mit 41 Punkten
im Halbfinale etwa 41 Punkte
mehr geholt, als bei einer Finalteilnahme
möglich gewesen wäre.
Jedenfalls dürfte nun allen klar sein,
dass sich ein Nachwuchswettbewerb
nur beschränkt für 95-jährige Wackelkandidaten
eignet. Aber Emil Ramsauer,
der Heilsarmee-Bassist, wird
das wohl kaum mehr raffen. So verloren,
wie er auf der Bühne stand, mit
dem untauglichen Versuch, den
Schlagertext von «You an Me» von
den Lippen seiner Mitstreiter abzulesen
und nachzuformen. Da war man
schon froh, dass alle Mitglieder der
Gruppe ungefähr zur gleichen Zeit
den Song beendeten. Ihm kann es
egal sein, ESC-Rekorde hat der Emil
zu diesem Zeitpunkt schon im Sack:
So war er der bislang älteste Teilnehmer
aller Zeiten.
Streitig machen könnte ihm dieser
Titel nur mehr Lys Assia, die mit ihrer
Kandidatur sowohl für 2012 in Baku
wie für 2013 in Malmö gescheitert
war. Und keine Hoffnung keimen
lässt, dass sie es endlich aufgibt. Wir
müssen uns also darauf einstellen,
uns weiter fremdschämen zu müssen.
Lys Assia wird im kommenden Jahr
erst 90 Jahre alt sein, wenn sie einmal
mehr nicht dabei sein wird.Derweil
hält Emil Ramsauer noch
einen weiteren Rekord: Er ist in der
58-jährigen Geschichte des Europäischen
Gesangswettbewerbs der erste
Teilnehmer mit eigenem Bett in der
Garderobe. Lys Assia könnte das nur
toppen, wenn sie gleich ein Bett mit
vier Rädern bestellt.
Zurück zum Thema Nachwuchs. So
fehlt etwa Cher höchstens noch eine
Schönheitsoperation, und dann bekommt
sie im nächsten Jahr den
Preis als beste Nachwuchssängerin.
Dabei ist der Song Contest öfters
Sprungbrett für eine Weltkarriere
wie bei ABBA 1974 («Waterloo») und
Celine Dion 1988 für die Schweiz
(«Ne partez pas sans moi»). Das
trifft auch auf Peter Sue & Marc zu.
Sie siegten nie, obwohl sie gleich
vier Mal am Wettbewerb dabei waren.
Dafür können sie ein Lied von
der Rekordteilnahme singen.
Und da hatten wir ja noch in Lausanne
die Gruppe Furbaz, die zwar keine
Weltkarriere startete, aber mit dem
ersten und letzten rätoromanischen
Auftritt eine ganze Epoche mit ihrem
Kleiderstil prägte. Wie damals Ursin
und Gioni Defuns und Giusep Quinter
in ihren eng gewordenen Anzügen
unbeweglich ihre Marie Louise Werth
begleiteten, findet noch heute Nachahmer.
Damals war nicht klar, ob sie
ihr Outfit am Weissen Sonntag bei
der Erstkommunion schon getragen
hatten. Sicher aber hätte die Heilsarmee
mit echtem Kriegsruf und richtiger
Uniform mehr Ausstrahlung erzielt.
Konfirmandenanzug in Ehren,
aber nicht auf der Bühne.
Aber der Schlager ist im Kommen.
Spätestens seit dem Finalsieg von
Beatrice Egli in der Sendung Deutschland
sucht den Superstar ist das allen
klar. Dass die Deutschen mit Cascada
am ESC lediglich den 21. Rang
belegten und bei DSDS zum zweiten
Mal hintereinander in der Schweiz
fündig wurden, will nichts heissen.
Der Anschluss der Bundesrepublik
als neuer Kanton steht ja unmittelbar
bevor und dann wird die Dominanz
im Schlagergeschäft, im Eishockey
und in der Politik ungebrochen sein.
Vorbei dann die Zeiten, wo wir in vorauseilendem
Gehorsam die EU-Verordnungen
schon umsetzen, bevor sie
in Brüssel beschlossen, in Frankreich
gelesen, in England nicht verstanden,
in Italien in den Papierkorb geworfen
und in Deutschland befolgt werden.
Vereint kämpfen, gemeinsam geschlagen
werden. Daher der Begriff
Schlager, der uns mehr mit unseren
Nachbarn vereint, als wir zugeben.
Stefan Bühler