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Alterslast

Gute Nachricht: der Trend zum Jugendwahn ist gestoppt. Was muss man tun, um alt zu werden? Am besten nichts. Wozu soll es allerdings gut sein, 100 Jahre alt zu werden, wenn der Preis dafür eine Erhöhung des AHV-Alters um jährlich ein bis zwei Monate ist, wie es die Denkfabrik Avenir Suisse vorschlägt? Das bedeutet für die Jahrgänger 1977 ein Rentenalter 69 im Jahre 2046. Also praktisch schon morgen. Sind sich die Jugendlichen eigentlich im Klaren darüber, in welch dramatischer Lage sie sich befinden? Kann man sich unter diesen Umständen noch auf das Alter freuen? Wenn es um Zementsäcke geht, bekommt das Rentenalter 69 eine gewisse Bedeutung. Was auf dem Bau undenkbar ist, im Bundesrat scheint es zur Regel zu werden. Es gibt sie nämlich, die Berufe, die erst im Alter zur Entfaltung führen. Leider geht diese einher mit der äusserlichen Befaltung. Das Älterwerden wird nur dann erträglich, wenn man dabei jung bleibt, was nicht selten auf des Messers Schneide liegt. Mit andern Worten: Jung bleiben erwirbt man sich mit Hilfe der drei S: Skalpell, Silikon, Solarium. Früher sind die Ärzte angetreten, kranke Menschen zu heilen. Heute operieren sie völlig Gesunde, damit diese beim Älterwerden äusserlich jung bleiben. Nach dem Motto: «Straffe Schale, Pudels Kern.» Silvio Berlusconi, der Besitzer Italiens, ist so ein schwindelerregender Typ. Mit Betonung auf Schwindler, der inzwischen für seine Erregung bezahlen muss. Seit 73 Jahren kämpft er dagegen, erwachsen zu werden. In der irrigen Meinung, er sei 30 mit 43 Jahren Erfahrung. Angefangen hat das mit der ersten Schönheitsoperation kurz nach seiner Geburt (Verkürzung der Nabelschnur) und anschliessendem Absaugen des Babyspecks. Um die Schlupflöcher im Gesetz besser zu sehen, hat er sich inzwischen auch von seinen Schlupflidern getrennt. Nur die Trennung von seiner Gattin erfolgt auf konventionellem Weg. Nachdem Berlusconi sich neue Haare und ein neues Lächeln aufsetzen liess, setzt sie ihm Hörner auf. Damit ist seine Wahl zum Aufsetzer des Jahres überfällig. Der Jugendwahn des italienischen Ministerpräsidenten lässt auch seinen Auftritt beim Geburtstag der 18-jährigen Schülerin Noemi Letitia unter einem anderen Licht erscheinen. Letitia ist das nicht gut bekommen. So erging es bereits Gretchen in Goethes Faust, wenn diese konstatiert: «Schön war ich auch, und das war mein Verderben.» Silvio Berlusconis Verderben ist es nicht, zumal die Worte des Mephistopholes nicht bis zum ihm durchgedrungen sind: «Dich zu verjüngen, gibt’s auch ein natürlich Mittel.» Geburtstagsfeiern in seinem vorgerückten Alter ähneln halt eher Bestattungsgratulationen am offenen Grab, während der Patient noch zappelt. Dagegen hilft weder ein Zaubertrank noch die Anwesenheit einer Jungfrau. Es lässt sich nicht verleugnen, dass Älterwerden auch Friktionen bringt. Ältere Autofahrerinnen etwa haben Probleme beim Einparken, weil das Gehör nachgelassen hat. Und während junge Männer treu sein möchten, es aber nicht schaffen, ist es bei alten Männern umgekehrt. Sie möchten untreu sein, können es aber nicht mehr. Das Gedächtnis spielt ihnen einen Streich. Sie rennen den jungen Weibern nach und nachher wissen sie nicht mehr, weshalb. Es gibt allerdings auch Geburtstagspartys der feinen Art. Den 120. Geburtstag etwa feierte kürzlich das Churer Ehepaar Toni und Janni Weibel. Ein stolzes Alter, um das zu erreichen, muss man schon zu zweit sein. Statt Geschenke spendeten die Gäste eine fünfstellige Summe für eine Krankenstation in Afrika. Was hat das mit dem Alter zu tun? Sehr viel. Es erinnert an jene Plakatkampagne, die in grossen Lettern fragte: «Sie haben Angst vor dem Alter?» Und darunter: «Ein 30-Jähriger in der Dritten Welt würde sich freuen.»

Stefan Bühler

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