Home Agenda Aktuelle Ausgabe Archiv Chur Tourismus Links

Miss Doof

Alle doof oder was? Aufschlussreich jedenfalls war der Intelligenztest mit den 16 Kandidatinnen für die Wahl der Miss Schweiz. Weder erkannten die Schönheiten auf den vorgelegten Fotos das Matterhorn und schon gar nicht das Bundeshaus in Bern, geschweige denn unseren Bundespräsidenten. Und das notabene trotz der verkrampften Körpersprache von Hans-Rudolf Merz. Im Normalfall genügt ja schon sein gezwungenes Se kundenlachen, um dahinter einen Vertreter der Landesregierung zu vermuten. So ist die Frage nahe liegend, ob es nicht besser wäre, gleich eine Wahl zur Miss Doof zu organisieren. Dummheit sollte nicht nur in eine schöne Hülle verpackt werden, sie sollte sich auch bezahlt machen. Der Kollateralschaden dieser Wahlen zur Miss Schweiz ist ernorm: Schöne Frauen sind dumm – das ist die Hauptaussage. Wo immer eine Schön heit die Strasse entlanggeht, heisst es dann halt: Dumm gelaufen. Warum können Frauen nicht schön und intelligent sein? Weil sie sonst Männer wären? Dabei sind Schweizer Kandidatinnen auf der nach unten offenen Nichtwisserskala gar nicht so allein. Grazile Models, deren Gehirn so schlank wie ihr Körper ist, gibt es in allen Ländern. Bei der Ausscheidung zur Miss Universe in Deutschland kamen die meisten Antworten so spontan wie falsch: Der kalte Krieg hat nämlich nichts mit der Klimaerwärmung zu tun, Bayern war nie Bestandteil der DDR und ja, es handelt sich bei Winkelried («Sorget für mein Weib und Kind») und Zumwinkel («Ich sorge für mich selbst») um zwei verschiede Gestalten der Zeitgeschichte. Der eine bezahlte 1386 in der Schlacht bei Sempach mit seinem Leben, der andere zahlte keine Steuern und lebte gut davon. Nicht nur die Miss Doof ist heute Tatsache, immer mehr trifft man junge Menschen an, die das Bild einer ganzen Generation Doof prägen. Heute sind sie schön und dumm, in 15 Jahren nur mehr dumm. Jetzt punkten sie noch mit ihrer schlanken Taille, später haben sie dann zwei Kinder. Vom galoppierenden Rückgang der Allgemeinbildung kriegen diese dann schon gar nichts mehr mit. Um sich im Alltag durchzuschlagen, hilft es nichts, die Shakespeare-Dramen zu kennen. Überall stösst man auf Menschen, die Paracelsus für einen Gleitschirmflieger halten, den Grauen Bund für verschimmelten Weichkäse und Antiviren für eine Joghurtmarke. Gefragt sind heute ganz andere Tugenden, um überleben zu können. Die Konzentration auf das Oberflächliche verbunden mit der Unlust zum Ernst des Lebens. Dank dieser Formel verstehen wir auch, weshalb sich kein Schwanz für die alte und neue Rechtschreibung interessiert, wohl aber für Existenzielles. Gemeint ist weniger die existenzielle Psychoanalyse, vielmehr Knacknüsse wie etwa die SMS-Nachricht «ddk». Heisst das nun «dicker, dicker Kuss» oder «Du dumme Kuh»? Von dieser Erkenntnis – und nicht von Sartre und Freud – hängt es schliesslich ab, ob es zur Fortpflanzung kommt oder nicht. Wir tun den Missen Unrecht, wenn wir sie wegen ihrer Schönheit für die Doofheit dieser Welt verantwortlich machen. Diese grassiert nämlich im Stile einer Pandemie, als Übertrager dienen Internet und Fernsehen. Beide verleiten zur Passivität. Das Gefühl, sich für etwas Mühe zu geben, kennt die Generation Doof kaum mehr. Dafür sinkt die Hemmschwelle, sich talentfrei in aller Öffentlichkeit zu blamieren. Zu hören in den Quizsendungen im Radio, zu sehen in den People-Magazinen im Fernsehen. Ausnahmen wie die private Hochzeit und das Kinderkriegen der Familie Federer sind selten geworden. Dem Trend der Zeit gehorchend zeigt uns dafür Boris Becker, wie man im Intimbereich Öffentlichkeit erzielen kann. Höchste Zeit, auch die Besenkammern dieser Welt mit Live-Cams auszurüsten.

Stefan Bühler

zurück