Unsensibel
Wenn eine Stadt ihre Bau-Denkmäler ruinieren will, kann sie auf verschiedene Methoden zurückgreifen. In Chur hat man auf die biologische gesetzt und gewartet, bis der lästige kantonale Denkmalpfleger in Pension ging. 30 Jahre hatte Hans Rutishauser diesen Posten inne, bis er vor einem Jahr altershalber seinen Pult räumte. Damit ist endlich der Weg frei für Verbesserungen und Verschönerungen im Leben unserer Beamten, genauer: deren Unterstände. Jetzt wird auf Teufel komm raus renoviert, das einstige professionelle Naserümpfen vermisst man schon schmerzlich. Vorbei die Zeiten, wo der kantonale Denkmalpfleger mit einem deplazierten Leserbrief ein ganzes Parkhaus unter dem Fontana-Denkmal zum Einsturz brachte, bevor es gebaut war. Besagter Leserbrief trug ihm zwar einen regierungsrätlichen Rüffel ein. So weit ist es gekommen, dass allgemein von einem neuen Längenmass gesprochen wurde. Ein Rutishauser entsprach der Distanz zwischen zwei Fettnäpfchen. Einfacher aber war es schon, die Pensionierung abzuwarten statt Märtyrer zu schaffen. So können wir erstaunt beobachten, wie in Chur der Denkmalschutz neu definiert wird. Das hat schon damit begonnen, dass an historischen Gebäuden diese scheusslich-roten Tafeln angebracht wurden, die dazu verleiten sollen, dass jemand die dümmlichen Texte liest. Das Regierungsgebäude wurde durch den behördlich genehmigten Vandalismus mit dieser roten Tafel mehr verunstaltet als mit den regelmässig gesprayten Graffitis. Und nun kommt die Fassadenrenovation. Das Regierungsgebäude profitiert als erstes davon, dass der Denkmalpfleger nichts mehr zu sagen hat. Jetzt können endlich die Storen montiert werden, die ihm so lange versagt blieben. Das Graue Haus wurde im Jahr 1751/52 vom Baumeister Johannes Grubenmann für Andreas von Salis-Soglio errichtet und ist sei 1803 Sitz der Bündner Regierung. Jetzt geht es der Fassade an den Kragen, ein Sonnenschutz auf der Südseite soll gleich noch die Arbeitsweise der Regierung symbolisieren. Damit nicht genug. Auch auf ein weiteres historisches Gebäude wartet eine Verunstaltung, die zwar lange verhindert werden konnte, jetzt aber doch noch durchgestiert wird. Ausgerechnet das Haus Buol, wo sich das Rätische Museum befindet, soll eine geschützte Eingangspartie erhalten. Die städtische Baukommission hat nachgegeben, ihr Widerstand wurde glasklar aufgeweicht. Denn jetzt gibt es eine Vitrine an der Aussenseite. Das barocke Patrizierhaus wurde 1675 von Freiherr Paul von Buol zu Strassberg und Rietberg (1634–1697) erbaut, der zur Führungsschicht der Drei Bünde gehörte. Führungsstärke wäre jetzt vonnöten, um die Verfremdung des Gebäudes mit einem Fumoir-ähnlichen Anhängsel zu verhindern. Nicht mehr zu verhindern ist der Bau des behindertengerechten Einganges zum Grossratsgebäude. Nicht historische Bedenken sprechen dagegen. Es ist vielmehr diese schamlose Geldverschwendung, die von niemandem gestoppt wurde. Es genügt offensichtlich nicht, über keine Sensibilität zu verfügen, man braucht dazu auch ein politisches Mandat. Für eine Rampe und ein 90 Tonnen schweres Vordach, das lediglich zur Freude der parlamentarischen Rauchergilde erstellt wird, werden 670 000 Franken verpulvert. Andere bauen damit ganze Häuser, der Kanton überwindet mit gleich viel Geld ein paar Stufen. Wenigstens wird diese schiefe Ebene noch mit einem Schild garniert. Vermutlich ein symbolischer Hinweis, dass hier die Schildbürger ein- und ausgehen. Natürlich wissen wir, dass das Geld auf der Strasse liegt. Man muss nur genug davon zum Fenster hinauswerfen. Warum eigentlich läuten bei solchen Vorlagen bei niemandem die Alarmglocken?
Stefan Bühler