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Euro-Kultur

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, wenn das Label Euro die kommenden Wochen die Schweiz prägen wird. In der Regel findet Europa ohne unser Land statt, nicht aber, wenn es sich um Fussball handelt. Da werden natürliche Grenzen verwischt. Zugegeben, man hat der Schweiz noch Österreich zur Seite gestellt. Eine ganze Europameisterschaft ausserhalb von Europa durchzuführen, das ginge dann doch zu weit. Bei der Vergabe der Euro 08 konnte ja noch niemand ahnen, dass der FC Vaduz und mithin das ganze Ländle ebenfalls in der obersten Liga mitpokern wird, so dass wir uns jetzt auf den direkten Vergleich mit Österreich einstellen müssen. Beim Thema Kultur haben die Nachbarn schon gewonnen. 10 Millionen Euro ist sie den Österreichern wert, Mattscheibe hingegen in der Schweiz. An der WM in Deutschland gab es wenigstens noch einen Kompromiss: man wollte, konnte dann aber nicht. André Hellers Megaprojekt wurde wenigstens aufgegleist, bevor es bombastisch scheiterte. Vielleicht befürchtete man bei uns, Martin Heller würde wieder einmal die künstlerische Leitung übernehmen. Das Verbot von Schweizer Fahnen wie damals an der Expo am 1. August 2002 könnte so wiederum ein origineller Kulturbeitrag werden. Dabei gehen Fachleute – und das sind wir alle – davon aus, dass die Schweizer Fahnen an dieser Euro 08 sowieso nach den ersten Gruppenspielen aus dem Blickfeld der Zuschauer verschwinden werden. Das wäre dann aber auf die sportlichen Ergebnisse und weniger auf die kulturellen Einfältigkeiten zurückzuführen. Da nützt es nichts, dass die Schweiz zu jenen Hauptsponsoren zählt, deren Symbole auch im Bereich der Fanmeile gezeigt werden dürfen, ohne dass die Gefahr besteht, von der Sittenpolizei der Uefa ins Visier genommen zu werden. Kultur ist halt einmal in Österreich auch im Rahmen der Euro 08 allgegenwärtig. Der US-Fotograf Spencer Tunick hat im Wiener Stadion 3000 Nackte unter dem Titel «Artwork with 1000 balls» abgelichtet, wobei sich der Titel nicht auf das Angehängsel der männlichen Flitzer bezog, sondern auf extra gestaltete Fussbälle. Auch werbetechnisch haben die Österreicher uns längst überholt, kein Slogan, der nicht an den Fussball erinnert. Die Zeiten, als in der Schweiz «Sloggy» mit den schönsten Frauenansichten warb, sind passé. Inzwischen werden auch männliche Körper erotisch vereinnahmt. Ein Trikothersteller aus dem Vorarlberg ist auf eine einfühlsame Werbebotschaft gekommen: «An die Latte», er wirbt damit in Zeiten der Euro für biedere Unterhosen. Dagegen hat «Schiesser» die Chance verpasst, aus seinem eurokompatiblen Namen Kapital zu schlagen. Weniger als kulturellen Beitrag zu verstehen ist die Ballaktion der Credit Suisse, welche 200000 Fussbälle zu einem Preis nähen liess, der mit 39 Rappen pro Ball selbst den im Einsatz stehenden pakistanischen Kindern dürftig vorkommen musste. Für die Sicherheit sind Polizisten aus Baden-Württemberg und Hessen zuständig. Im Rahmen ihrer Vorbereitungen wurde ihnen beigebracht, dass es zwischen dem Kessel von Landquart und jenem im Letzigrund grundsätzlich keinen Unterschied gibt. Nur die Auftraggeber haben gewechselt. Das Dröhnen der Drohnen sollte zudem niemanden aufregen. Damit wird zwar die Lufthoheit über den Stammtischen vorübergehend eingeschränkt, es können aber schweizweit Uefa-Biertrinker von Fremdbiertrinkern unterschieden werden. Da ist die Einschränkung der persönlichen Freiheit allemal gerechtfertigt. Ach ja, Sport soll es auch noch geben. Live für jene, die von Sponsoren eine Karte bekommen haben und nichts von Fussball verstehen. Für alle anderen, die etwas von Fussball verstehen, gibt es das Public Viewing.

Stefan Bühler

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