Sprachökonomie
Der ökonomische Umgang mit der Sprache bringt manchen Nutzen und nicht selten unfreiwilligen Humor. Wer mit offenen Augen durch die Strassen geht, sollte nicht alles für bare Münze nehmen, was ihm vorgeschrieben wird. «Nochmals stark reduzierte Sommerröcke!» Schon beim ersten Schaufenster verspricht man uns hoffnungsvoll Aussichten auf tiefe Einblicke, die dann meist der vertieften Aussicht auf hoffnungslose Augenblicke weichen. Man sollte wie gesagt nicht alles zu wörtlich nehmen. Um in die reduzierten Röcke zu gelangen muss manche Trägerin tief in die Tasche greifen. Für den Körnlipicker- Kuraufenthalt zuerst und den reduzierten Rock danach.
Es ist alltäglich, dass wir unsere Sprache auf das Notwendigste reduzieren. Und dabei haben wir keine Scheu, uns selbst auf einen Sachgegenstand zu reduzieren. Zu lange dauert es, der Garderobiere zu erklären, wo der Mantel zu finden ist. Effizienter tönt das so: «Ich hänge gleich neben dem Regenschirm».
Nicht alle schätzen es, wenn man Sie auf den sprachlichen Unsinn aufmerksam macht. Der Polizist war noch recht freundlich, als er sagte: «Sie stehen auf dem Halteverbot.» Mit der Freundlichkeit hatte es ein schnelles Ende, als ich ihn aufklären wollte: «Sie meinen wohl, mein Auto steht im Halteverbot. Was mich betrifft, stehe ich eher auf tolerante Beamte, die auch mal ein Auge zudrücken. » Was er drückte, war dann der Strafzettel in meine Hand.
Wenn etwa in gesellschaftlicher Runde ein Handy klingelt, greifen sich alle an das Gesäss, und manch einer stellt beruhigt fest: «Ich bin’s nicht, das ist nicht mein Sound.»
Kürzlich im Hobbymarkt, auf der Suche nach einem Elektrostecker, erklärt der fälschlicherweise angepeilte Verkäufer: «Ich bin Holz, die Dosen finden Sie hinten.» Das hört sich an wie jener Gast, der den Kellner darüber aufklärt, wer welches Gericht bestellt hat: «Ich bin das Schnitzel, meine Frau das Poulet.» Schon im Film «Wir Wunderkinder» von Kurt Hoffmann auf dem Jahre 1958 fragt ein Kellner den Gast: «Wer ist hier der Kalbskopf?» Diese Frage war deshalb sogar lebensgefährlich, weil der Gast niemand anderes war als Adolf Hitler. Ein Blick in die Gazetten zeigt gleichfalls die unfreiwillige Komik der Sprachökonomie auf, wenn es etwa heisst. «Biete Eier von glücklichen Bauern». In einer Stellenanzeige stand zu lesen: «Aushilfe für die belegten Brötchen gesucht.» Sollten die Brötchen dann von den verdienten Ferien zurück sein, könnten sie an Frische eingebüsst haben. Aber das kennt man ja. Wer reklamiert, dass die Brötchen von gestern sind, soll morgen wieder kommen, dann kriegt er die von heute. Geht es darum, den Menschen auf eine Sache zu reduzieren, dann sind Ärzte die absoluten Meister. Patienten und ihre Namen kommen und gehen schliesslich, Krankheiten und Organe aber bleiben. «Der Bauch ist noch im OP, die Krampfader haben wir schon ins Zimmer verlegt», heisst es da etwa. Harmlos dagegen die Krankenschwester: «Herr Doktor, der Simulant von Zimmer drei ist soeben gestorben!» – «Also, jetzt übertreibt er ja wirklich!» Jedenfalls kann man das besser nachvollziehen als den Satz: «Mit der Leber hatten wir gestern noch eine Diskussion über die Tarife in der ersten Klasse.» Ein Simulant, wer Schlechtes dabei denkt. Es gibt ja heute einige gut verdienende Ärzte, die es sich leisten können, ihre Patienten rasch zu heilen. Und es stimmt auch nicht, dass die Ärzte in den Operationssälen der Bündner Spitäler deshalb romanisch reden, damit sich die Patienten schon einmal an eine tote Sprache gewöhnen können.
Statistisch gesehen kann man auch bei uns so alt werden, wie es das eigene aktuelle Spiegelbild gerade zeigt. Wenn man nämlich 100 Jahre lang täglich eine Zigarette raucht, wird man steinalt. Da es sich hierbei um ein Rezept handelt, muss nun nach geltendem Recht der verordnete Zusatz folgen: «Fressen Sie die Packungsbeilage und schlagen Sie einen Arzt oder den Apotheker!» In diesem Satz vereinigt sich dann in optima forma Sprachökonomie mit Sprechökonomie.