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Kraftquelle

Das war einmal, als man die Seele baumeln liess am Strand von Irgendwo, wo es Sand und Palmen hat. Und daran glaubte, man könne sein Karma aufpeppen mit Sun, Fun und Nichtstun. Weit gefehlt, wie wir heute wissen. Geist und Körper finden nämlich die echten Energiequellen ausschliesslich in den Bergen. Wer sich dabei noch etwas esoterisch daneben benimmt, findet Erfüllung, Schönheit und seelisches Wohlbefinden an den mystischen Orten in den Alpen, zu denen uns die «Kraftwanderer» hinführen. Das war nicht immer so, einst galt das Gebirge als unwirtlich, menschenfeindlich und bedrohend. Der Gelehrte Albrecht von Haller hat mit seinem Gedicht «Die Alpen» zur Aufklärung beigetragen. Die Menschen begannen, die Natur zu beherrschen, höchste Zeit, auch deren Schönheit und Wirkung auf Geist und Körper zu erkennen. Johann Wolfgang von Goethe entdeckte die Rofla und den Splügenpass als Wunderwelt und Thomas Mann seine Kurkarriere als Zauberberg. Im Engadin drehte Willy Bogner Filme und Friedrich Nietzsche durch. Verständlich, nachdem er während seines Aufenthaltes in Wiesen vor allem den Föhn und das Kopfweh kennengelernt hatte. Rainer Maria Rilke schuf den Slogan «Hier sein ist herrlich» für den Verkehrsverein Bad Ragaz. Ganz ungerührt liess James Bond einen Martini und sich durch den Eiskanal schütteln, gerührt hingegen erschien Boris Becker vor dem hochalpinen Traualtar. Charles Mountbatten-Windsor, Prince of Wales, Richard Strauss und Herbert von Karajan haben sich kaum geirrt, als sie ein Rückzugsgebiet suchten. Sie wurden fündig und holten ihre Kraft aus dem Gebirge, in Klosters, Pontresina und St. Moritz. Johanna Spyris Heidi wurde erst krank, als sie die Berge verlassen musste, dafür wurde Klara Sesemann entlähmt, als man sie in die Berge karrte. Es bedarf wohl kaum der weiteren Beweisführung, dass Dichter, Denker, Künstler, Kranke und andere Promis massgeblich zum heutigen Alpenhype beitragen und beigetragen haben. Ob sie bezahlen konnten oder nicht. Klettergärtner, Bikerroutiers, Wellnässer, selbst Walker in Begleitung ihrer Stockenten werden ihn nie erleben, diesen für «Kraftwanderer» vorbehaltenen ultimativen Kick. Dank der neuen Bewegung wird der Fels zur finalen Gesundheitsquelle. Für diese neue Spezies homo mysticus steht fest, dass die Berge von einem messbaren Energienetz überzogen sind. Linien, die sich kreuzen, entwickeln dabei ganz besondere Kräfte, für welche die Masseinheit gemäss dem französischen Physiker und Pendler Bovis gilt. Die Bovis-Werte sollen den esoterischen Wanderer zu besonders magischen Plätze führen. England hat seine Megalithen von Stonehenge seit der Jungsteinzeit, sie mussten irgendwie herangeschleppt und aufgestellt werden genauso wie die Menhire von Falera, die als astronomische Kalender aus der Bronzezeit stammen. Das Hochtal Segnas Sura bei Flims und das Berninagebiet sind Kraftfelder für Körperbewusste, die ihren Body mit der Seele in Einklang bringen wollen. Als vor über 100 Millionen Jahren die Alpen damit begannen zu entstehen, dachte noch niemand daran, welche Bedeutung dem 1200 Kilometer langen Gebirgszug zwischen dem ligurischen Meer und Slowenien für das Wohlbefinden der heutigen Burnout-Generation zukommen würde. Ein schönes Beispiel aus der Schöpfungsgeschichte, wo der Zufall durch den Irrtum ersetzt wurde. Wo man gestern noch am Abgrund stand, ist man heute den entscheidenden Schritt weiter. Die Power holt man sich nämlich genauso aus den Felsen wie den Beinbruch auf dem Heimweg. Können wir aber als Kraftwanderer ruhig vernachlässigen angesichts der seelischen Freuden, denen körperliche Fitness und gutes Aussehen unterzuordnen sind. Als Kraftwanderer haben wir Besseres verdient und wissen auch, wo wir es holen können.

Stefan Bühler

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